DEUVET Buchbesprechungen von Martin Zabel

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Kurz vor Weihnachten, aber noch rechtzeitig, um den Wunschzettel an den Weihnachtsmann zu erweitern, möchte ich heute zwei Bücher vorstellen, die dem Oldtimerfreund und natürlich auch der Oldtimerfreundin einige schöne Lesestunden bereiten. Zwei Bücher voller Emotionen, meine ich.

Das erste Buch hat der allseits bekannte und geschätzte Automobilhistoriker und mittlerweile 88-jährige Halwart Schrader verfasst. Vor 12 Jahren erschien sein Buch „Motor Men: Menschen, Mythen und Motoren der Automobilgeschichte“. Ein Lexikon der Namen rund um das Auto. Nun kommt sozusagen die bibliophile Fortsetzung: „Fährt der alte Lord fort… Eine Zeitreise durch die Automobilgeschichte“.

Hier geht es um die Pioniere der Mobilität und deren Weissagungen und Fehleinschätzungen zum Automobil. Von der Vergangenheit bis zur Gegenwart, von Frauen und Männern, von bekannten Personen wie Louis Renault (1935) oder Enzo Ferrari (1979) und weniger bzw. gar nicht bekannten wie der Mechatronikerin Sina Bolognesi (2019). Und überhaupt die Frauen. Ihnen räumt der Autor sehr viel Platz ein, wie zum Beispiel Clärenore Stinnes. Was ich als sehr wohltuend empfinde. Denn das Automobil ist beileibe keine Männerdomäne (mehr). Die letzten Kapitel sind den „Glamourlaydies gewidmet: „Cars are a girl’s best friend“ und Janis Joplin…

Wussten Sie, wem die folgenden Aussagen zuzuschreiben sind? „in spätestens zwei Jahren wird die Volkswagen-Fabrik völlig bedeutungslos geworden sein…“ oder: „… ich beabsichtige, einen Wagen zu bauen, der größer sein wird als ein Rolls-Royce, Herr Doktor!“ Wogegen diese wahrscheinlich bekannt ist: „Das Auto halte ich für eine vorübergehende Erscheinung, Ich glaube an das Pferd.“ Die Antworten gibt Halwart Schrader. Wir erfahren in diesem sehr kurzweilig verfassten Buch viel über die Hintergründe, die zu bestimmten Aussagen führten. Oft bewirken sie ein Schmunzeln beim Lesen, manchmal auch Nachdenklichkeit.

Am Ende ein ausführlicher Zitaten-Index, der Lust auf Mehr macht. Viele schwarz-weiß-Fotos – „schrecklich-schöne Bilder“  aus privaten Fotoalben“ –  wie der Autor voller Stolz in seinem Vorwort erwähnt, geben dem Band das gewisse Extra. Ich hatte Spaß beim Lesen – gerade in der heutigen Zeit, in der bestimmte Kräfte doch wieder das Pferd dem Automobil vorziehen möchten. Ach nein, auch da wird ja zu viel CO2 freigesetzt…

„Eine automobilgeschichtliche Zeitreise der besonderen Art“ heißt es im Klappentext. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.

Schrader, Halwart:
Fährt der alte Lord fort; Eine Zeitreise durch die
Automobilgeschichte mit Halwart Schrader.
240 Seiten, 400 Abbildungen
Motorbuch Verlag Stuttgart, 2023
ISBN: 978-3-613-04545-3   49,90 Euro

Im historischen Museum Saar in Saarbrücken findet noch bis zum 24. März nächsten Jahres die Ausstellung „Auto unser. Kult und Krise“ statt. Die „von Emotionen und Faszination, von Freiheit, Macht und Status, von Wohlstand und Massenmotorisierung ebenso wie von Krisen und Widersprüchen, von nationalen Befindlichkeiten und globalen Ansprüchen“ (Zitat des Herausgebers) handelt. Dazu ist ein Ausstellungskatalog erschienen. Aber dieses opulente Werk ist mehr als das. Es ist eine Geschichte der Mobilität vom Pferdefuhrwerk bis zum E-Auto. Und vor allem von den Menschen, die sie bewegen. Dies ist meine zweite Buchvorstellung.

Hans-Christian Herrmann, Leiter des Saarbrücker Stadtarchivs, kuratiert diese sehenswerte Ausstellung und verfasste das Buch dazu.

Wie ein roter Faden zieht sich die Nähe zu Frankreich des „französischsten aller deutschen Bundesländer“, dem Saarland, und damit auch die direkte Verbindung zur französischen Automobilindustrie. Im Jahr 1967 war jedes dritte Auto im Saarland ein Peugeot oder Renault. Peugeot 404 gab es fast genauso viele wie VW Käfer. Herrmann beleuchtet sehr anschaulich und mit vielen zeitgenössischen Fotos illustriert die deutsch-französische Automobilindustrie in der Zeit des Wirtschaftswunders. Für jemanden wie mich, der sich intensiv mit einer französischen Marke beschäftigt, ist das Buch diesbezüglich eine wahre Fundgrube.

Das Buch ist aber für alle anderen Automobilenthusiasten lesenswert. Die Automobilgeschichte wird spannend und unterhaltsam gleichermaßen präsentiert. In 11 Kapiteln beschreibt Herrmann (das 12. Ist vom Ruth Bauer und beschreibt den weiblichen Anteil an der Erfolgsgeschichte des Automobils) neben der Erfindung des Automobils und seinem rasanten Siegeszug in der Zeit des Wirtschaftswunders auch die Kehrseiten, die mit ihm einher gingen wie verkehrsunfallbedingtes Sterben, die Ölkrise der 1970er Jahre, eine vermeintliche (?) Freiheit der individuellen Mobilität bis hin zu Feinstaub und Klimaerwärmung sowie dem Verkehrskollaps in unseren Großstädten. Deutlich wird aber auch , dass das Auto aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken ist, wenngleich die Antriebsarten neu überdacht werden. Auch hier, wie bei Schrader, die Hommage an die Damen: 1888 war es Bertha Benz, die die erste Fernfahrt mit dem Automobil unternahm, und Ende der 1920er Jahre wurde Clärenore Stinnes mit ihrer Fahrt um die Welt berühmt. Auch im Motorsport gibt es viele Beispiele weiblicher Erfolge. Leider findet Heidi Hetzer keine Erwähnung.

Neben den vielen Informationen und Anekdoten aus der Welt des Automobils zeichnet sich der fast 400 Seiten starke und zwei Kilo schwere großformatige Band durch eine umfangreiche Illustration mit 500 Abbildungen – meist in schwarz-weiß wegen der Historie  – und am Ende jeden Kapitels mit ausführlichen Quellenangaben aus.

Fazit: Das Auto wird nicht sterben. Über die Antriebsart wird gerade heiß diskutiert. Ob die E-Mobilität das Weltklima retten wird, bleibt abzuwarten. Ich habe dazu meine Zweifel.

Es gäbe noch vieles zu erwähnen. Deshalb bitte selbst lesen, es lohnt sich. Eine wirklich spannende Lektüre  – ich freue mich schon auf den Besuch der Ausstellung in Saarbrücken.

Herrmann, Hans-Christian:
Auto unser. Kult und Krise
384 Seiten, 500 Abbildungen
Motorbuch Verlag Stuttgart, 2023
ISBN: 978-3-613-04616-0  39,90 Euro

Martin Zabel


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